Langstreckensport verlangt Speed, Konstanz, Ausdauer und viel technisches Feingespür denn am Ende bleibt doch der Materialfaktor die bestimmende Größe. Rene Binder blickte vor der Sommerpause noch einmal weit über den Tellerrand hinaus…
Frage: Gibt es ein Wort mit dem Du Deine Halbzeitbilanz in der ELMS, bzw. IMSA-Serie zusammenfassen könntest?
Rene Binder: „Das wird schwierig. Es gibt Dinge, die enttäuschend waren und andere, die einen zuversichtlich stimmen. Das letzte Rennen vor der Sommerpause in Barcelona gehörte leider nicht dazu. In der European Le Mans Series bin ich bei Panis Barthez Compètition zwar in einem sehr starken Team, aber unser Material ist momentan einfach nicht konkurrenzfähig. Wir hätten es aus eigener Kraft maximal in die Top-5 schaffen können, dann hat mein Teamkollege, Julien Canal, leider auch noch eine Durchfahrtsstrafe für eine Kollision ausgefasst.“
Frage: Das Team um Olivier Panis hat 2018 noch Podestplätze eingefahren. Was ist los?
Rene Binder: „Das Auto hat zu wenig Downforce und trotzdem fehlt Topspeed auf den Geraden, das war vor allem in Le Mans ein Riesenhandicap. Ich höre immer, dass unsere Fahrerbesetzung deutlich stärker ist als im Vorjahr, aber am Papier steht halt leider noch kein Topresultat. Es braucht einfach das richtige Material und etwas Geduld.“
Frage: Und wo bleibt da noch der Fahrerfaktor?
Rene Binder: „Der ist schon auch wichtig. Man arbeitet permanent mit dem Material, um es zu verbessern. Und wenn man mit der Abstimmungsarbeit einmal am Ende ist, muss man auf der Strecke noch immer das Beste aus seinem Auto herausholen. Als Fahrer hofft man natürlich immer, dass man siegfähiges Material in die Hände bekommt und es dann halt auch umsetzen kann.“
Frage: Gilt das auch für Dein Projekt in der IMSA Serie?
Rene Binder: „Dort ist die Ausgangslage etwas anders. Juncos Racing hat mit dem Cadillac DPi-V.R ein konkurrenzfähiges Paket zur Verfügung, wobei wir in der Königsklasse der ‚Daytona Prototypes International‘ gegen die großen Teams wie Penske, Joest oder Wayne-Taylor Racing antreten. Wenn die alle durchkommen, sind die vorderen Plätze mehr oder weniger reserviert. Am Ende kann man als Fahrer nur sein Bestes geben, um sich mit guten Leistungen weiter zu empfehlen.“
Frage: Mit anderen Worten: Es geht in diesem Sport immer wieder darum, im richten Moment am richtigen Platz zu sein?
Rene Binder: „Genauso ist es. Es gibt viele gute Fahrer, die mit einem siegfähigen Material gewinnen können. Aber nur wenige bekommen die Gelegenheit dazu. Stell Dir nur vor, Niki Lauda, hätte Lewis Hamilton damals nicht von McLaren zu Mercedes gelotst. Er wäre heute wohl kaum ein 5-facher Weltmeister.“
Frage: Du bist schon gegen die aktuellen Grand Prix Piloten, Gasly, Albon, Giovinazzi, Magnussen und Leclerc gefahren. Wer war der Beste von ihnen?
Rene Binder: „Ich war damals nur mit mir selbst beschäftigt, aber das sind alles Fahrer, die sich ihren Platz in der Formel 1 verdient haben. Leclerc überstrahlt aktuell natürlich alle anderen, er hat das Zeug zum Weltmeister. Aber machen wir uns einmal nichts vor: Da ist mit demselben Material kaum jemand zwei, drei Zehntel schneller als die anderen, während es bei den Autos doch Riesenunterscheide gibt.“
Frage: Man weiß, dass Du die Ruhe selbst bist, aber was denkst Du heute über verpasste Chancen und alte Kollegen, die inzwischen Karriere gemacht haben…
Rene Binder: „Ich bin da völlig im Reinen mit mir und freue mich, wenn ein ehemaliger Teamkollege wie Pietro Fittipaldi jetzt in der DTM oder in der Formel 1 als Ersatzfahrer Fuß fasst. Am Ende ist das nur eine Bestätigung für mich, weil ich weiß: Da habe ich doch ganz gut mithalten können. In meiner Jugendzeit war meine Ausbildung ja auch nicht ausschließlich auf den Rennsport fokussiert, da gab es auch eine Schulausbildung.“
Frage: Würdest Du heute etwas anders machen?
Rene Binder: „In Bezug auf die Ausbildung sicher nicht. Vielleicht wäre es für mich besser gewesen, zuerst in die World Series einzusteigen, wo ich enorm viel gelernt habe und erst dann in die F2. In Wahrheit ist dieses System aber schon derart extrem geworden, dass man von einigen Experten schon abgeschrieben wird, wenn man nicht mit 16 schon Formel 1 tauglich ist. Ich bin einen anderen Weg gegangen und heute froh, dass ich nicht ’nur‘ Rennfahrer bin.“
Frage: Abgesehen von Deiner Arbeit bei Binderholz hast Du nun ein paar Wochen Zeit um Deine Batterien wieder aufzuladen. Was ist in der zweiten Saisonhälfte noch auszurichten?
Rene Binder: „In der IMSA-Serie steht für mich nur mehr das legendäre Petit Le Mans am Programm. Das ist ein 10-Stundenrennen in der Nähe von Atlanta, auf einer Strecke, die zu den schönsten der Welt zählt. Und in der ELMS geht’s nach der Sommerpause nach Silverstone, dann nach Spa und Ende Oktober noch nach Portimão. An beiden Fronten müssen jetzt Teamseitig ein paar wichtige Weichen gestellt werden, daher bleibt auch nicht viel Zeit zum Ausspannen.“
Danke für das Gespräch!